5.31.2014






Auch wenn es niemand gemerkt hat: Das Bauhaus war ein Wahlkampfthema!  

Neues Bauhausmuseum, Schießhausgelände, Lindenberg - Wir fragen dich vorher! Piraten
vs. Neues Bauhausmuseum - Das braucht Weimar. FDP

Leider sind wir nicht mehr im VORHER, sondern in der schönen neuen Welt DANACH, das heißt seit sechs Tagen in der neuen Legislaturperiode des Weimarer Stadtrats.

Mit dabei sind für die kommenden fünf Jahre die Piraten. Vielleicht auch deshalb, weil sie die Bürger fragen wollen, bevor sie sich für oder gegen ein Bauprojekt entscheiden. Mit nur einer Stimme dürften sie wenig ausrichten. Trotzdem sollte ihr Einzug ein Signal an die Stadträte der etablierten Parteien sein: Der Stadtrat trägt für die Durchsetzung des Bürgerwillens die Verantwortung. Dieser Verantwortung ist er bei aktuellen Projekten wie Schießhausgelände und Bauhaus nicht nachgekommen.

Zu spüren bekommen, haben das die Liberalen. Nur noch 3 Prozent vertrauen der FDP, die zwei von ursprünglich drei Sitzen verloren hat. Auf die suggestive Frage eines Radioreporters, ob daran die schulmeisterlichen Wahlplakate schuld sein könnten, reagierte der Fraktionschef ungehalten. Das Wahlergebnis aber zeigt: Die Weimarer wollen von dieser Partei nicht gesagt bekommen, was sie brauchen, sondern gefragt werden, was sie wollen.

Vielleicht sagen diese Zahlen aber auch nur, dass in der Stadt eine Wahl passiert ist. Nur 50 Prozent der Weimarer waren neugierig, wie sie ausgeht, und gingen wählen. Wäre diese Neugierde nicht so vergänglich wie Schnee, dann müssten wir die nächsten Jahre darüber wachen, ob die Piraten ihr Wahlversprechen auch halten. Eine Wahnsinnsarbeit. Dazu müssten wir unser Leben ändern. Und das kommt nicht in Frage.

 
 



5.23.2014

Einladung zur Fahrradtour 


Auch wenn keiner dem „Kosmos Weimar“ (Klassik-Stiftung) entkommen kann, muss jeder mal raus aus dieser Stadt. Was liegt näher als im Juni unsere Bauhaus-Debatten geplagten Dessauer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu besuchen und ihnen etwas von unserer geweihten Erde zu bringen. Die werden wir dann in ihrem Park ausstreuen, wo ihr Bauhaus-Museum entstehen soll, nachdem die Landespolitik ihren Bauhaus-Direktor verjagte. 

Die Tour soll ein Zeichen setzen:

- für mehr Bürgerbeteiligung an (kultur-) politischen Entscheidungen
- für mehr Nachhaltigkeit bei öffentlichen Bauprojekten wie dem geplanten Weimarer
  Bauhausmuseum
- für mehr Solidarität und Zusammenarbeit bei der Verteilung und Verwendung    
  öffentlicher Mittel
- für mehr Bewegung 


Reih dich ein, denn auch du bist ein Künstler und Gestalter!
Ein Bauhäusler.

Freitag,  06.06.

13.00 Uhr, Treffpunkt Weimarhallenpark - Erde aufnehmen und von Weimar bis Naumburg mit Saale-Unstrut-Wein-Stopp im Weingut Frölich-Hake / Übernachtung Camping "Blütengrund", ca. 7 Euro (ca. 45 km)

Samstag, 07.06.

von Naumburg bis Halle / Übernachtung Camping "Am Nordbad", 4 bzw. ermäßigt 1 Euro (ca. 65 km)

Sonntag, 08.06.

von Halle bis Dessau und Treffen mit den Bauhäuslern dort / Übernachtung Camping "Kühnauer See", 5 Euro (ca. 45 km)

Montag,  09.06.

Erde ausbringen im Dessauer Park und Heimfahrt mit dem Zug


Weitere Infos in Kürze unter Fahrradtour Weimar

oder bei Atze im C.Keller unter 03643-502755 oder Hans unter 03643-776520



5.14.2014

Vom richtigen Moment




Teil meiner Therapie ist die Begegnung mit Politikern. Andreas Leps von den Weimarer Grünen ist der erste, der mir für mehr als eine halbe Stunde Einblicke in den Anspruch und das Selbstverständnis eines Stadtrats gewährt. Als demokratische Kontrollinstanz vertritt er gegenüber einer 700-köpfigen Verwaltung die Interessen aller grünen Mitbürger. In ein paar Tagen werden diese entscheiden, wie gut er das gemacht hat.

Die Frage, ob das Bauhausmuseum ein Gewinn für die Weimarer ist, stellt sich für ihn nicht. Nicht so, jedenfalls. Denn wie eine Landkarte scheint die Debatte um den Neubau vor ihm zu liegen. Auf ihr kann er die einzelnen Stationen sicher verorten: die Entscheidung für den Alternativstandort Minolplatz 2010, den Wettbewerb, den Hanada 2012 gewann, einen eilig anberaumten Info-Abend im November 2013, nachdem es von Stadt und Stiftung keine Infos gab und die Bürgerbewegten (Schwarzbach, Lembcke, Finkbeiner u.a.) mit ihrer Computeranimation die Öffentlichkeit informiert hatten, der Antrag auf das Bürgerbegehren und seine Ablehnung.

Wir kommen ein halbes Jahr zu spät, sagt er. Und dass ihm das leid tue.

Wer sich aufgrund seines Mandats informieren muss und informiert ist, fragt sich selten, welche Informationen denen zur Verfügung stehen, die das Rathaus nur von außen kennen. Doch vor unserer Bank tut Leps genau das: Ich habe die Informationen, weil ich im Stadtrat bin, ob meine Nachbarn die ganzen Informationen haben, weiß nicht. Wahrscheinlich eher nicht. 

Und was ist mit den Argumenten, mit denen wir davon überzeugt werden sollen, dass der Neubau eine Belebung des Parks sowie eine Steigerung der Lebensqualität für die Anwohner bedeutet (Bürgerinfo)? Berlin zahlt nicht, wenn ... Die Grundfestlegungen stehen „rein rechtlich“ nicht mehr zur Debatte. Verkehrsführung, Finanzierung, Parkflora und -fauna - alles kein Problem. Es gibt Gutachten. Wer hat sie in Auftrag gegeben, bezahlt und gelesen? Wer von uns kann den Wahrheitsgehalt der Argumente überprüfen?  

Plötzlich ist es nicht mehr ganz klar, wer sich zu Wort melden hätte sollen, der Stadtrat, der in unserem Interesse die Verwaltung kontrolliert, oder die Bürger, und wann der richtige Zeitpunkt dafür gewesen wäre. 2010, 2012, im November 2013 oder im Januar 2014, als der Stadtrat mit einer Gegenstimme die Übereignung des Grundstücks an die Stiftung beschloss? 

Es bleibt das Gefühl: Die Weimarer wollen das neue Bauhausmuseum. Anders! 9,5 Millionen fließen in die Verlegung der Straße, der Versorgungsleitungen, der Tiefgarageneinfahrt und in die Gestaltung des Museumsumfelds. Gestern waren es noch 6,5. Wann war gestern? Vom Plan eines lebendigen Hauses mit Kindergarten hat man sich verabschiedet. Dabei müsste es heute mehr bieten als eine um hundert Jahre verschobene Klassik, nämlich: Fragt die Bürger! Doch wie Hannah Arendt zum Thema Verantwortung so treffend formulierte - wer verlässt sich angesichts der Experten und viel Papier noch auf sein Gefühl? Nicht einmal die Grünen.

Wo ist das Problem?

In Weimar warf Gropius im Dezember 1924 entnervt das Handtuch und erklärte die Auflösung des Bauhauses. Vorausgegangen war dem eine fünfjährige Fehde mit inneren und äußeren Feinden, zu denen auch der sozialdemokratische Finanzminister Hartmann gehörte. Auch er hielt das Bauhaus für überflüssig und aussichtslos. Doch nicht nur die Finanzierung, die von Gropius persönlich vor dem Thüringer Landtag mehrmals eingefordert werden musste, auch das Baushausprogramm selbst waren Kulturbürger und Politiker immer weniger bereit mitzutragen. Die Forderung nach einer neuen Baukunst unter Fühlung mit dem öffentlichen Leben und dass Kunst nicht mehr Genuß weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein  sollte, bekam den Anstrich des Proletarischen. Für die Sozialdemokraten war sie zu bolschewistisch.

Wie Gropius sehr früh erkannte, ging es vielen Entscheidungsträgern nicht um das Bauhaus selbst. Es war von Anfang an ein Werkzeug zur Verschiebung der Machtverhältnisse im Thüringer Landtag und ein Mittel, um reaktionäre und nationalistische Positionen durchzusetzen.   

Ich habe nun achtzig Zeitungsartikel in den letzten Wochen über meinen Kampf gelesen und einen so tiefen interessanten Einblick in das Getriebe der Presse und der Parteien gewonnen, daß schon diese Erkenntnisse allein die Mühe des Kampfes lohnt. Ich sehe jetzt mit voller Deutlichkeit: Jede Partei ist Schmutz, sie erzeugt Haß und wieder Haß. Wir müssen die Parteien zerstören. Ich will eine unpolitische Gemeinschaft gründen. Das was wir alle ersehnen und wollen: „Gemeinschaft“ ist überhaupt nur unter Menschen möglich, die die Partei ablehnen und sich einer Idee hingeben und dafür kämpfen. (Gropius an A. Behne, 31.Januar 1920) 

Uns läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn wir beinahe 100 Jahre später in diesen Zeilen eine Erklärung für die aktuellen Ereignisse in Dessau suchen. Bekanntlich schrieb der Stiftungsrat die Stelle des Direktors ohne nachvollziehbare Argumente neu aus. Das führte im November 2013 zum Rücktritt des zehnköpfigen internationalen Beirats. Hatte sich Philipp Oswalt mit dem Ministerpräsidenten und dem Kultusminister der sachsen-anhaltinischen Landesregierung (CDU/SPD-Koalition) wegen des Standortes des dortigen Museumsneubaus überworfen? Auch eine Petition mit fast zweitausend Unterschriften konnte seine Vertreibung nicht verhindern. Gebaut wird jetzt auch dort im Park.    

Dahingegen nehmen sich die Ereignisse in Weimar ganz friedlich aus. Keiner muckt auf. Doch hier wie dort regt sich ein Gefühl – das Gefühl von Diskrepanz zwischen dem Recht auf demokratische Selbst- und Mitbestimmung und seiner Interpretation durch Stadtrat, Stadtverwaltung und Stiftung.


5.11.2014

Es ist eine schwierige Materie



 

5.06.2014

Das Wetter war gar nicht schlecht.



Die Eingeladenen lassen sich es nicht nehmen, mich in die Grundlagen zielführenden Quengelns einzuführen. Herr Finkbeiner erklärt, dass der Antrag auf ein Bürgerbegehren beliebig oft gestellt werden kann. Erst im Fall einer Zulassung und eines Scheiterns, weil nicht genügend Bürgerstimmen für einen Entscheid zusammen kamen oder die Mehrheit später gegen den Antrag stimmt, darf es zwei Jahre lang kein neues Begehren in der Sache geben. Also:  Antrag stellen, Stimmen sammeln, abstimmen oder Antrag stellen, Antrag stellen und sich mit dem dritten Antrag in der Wiege der Demokratie schlafen legen. 

Die Ablehnung des Antrags erfolgt erfreulicherweise mit einer Begründung. Diese, so Finkbeiner, sei der Schlüssel für einen verbesserten Antrag, der aber möglicherweise vier Wochen später wieder nicht an die begründete Ablehnung heranreicht. Ein historisch verbürgter Besucher der Museumsstadt hat dies vor hundert Jahren bereits vorausgesehen:

Vor dem Begehren steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Weimarer und bittet um Eintritt. Aber der Türhüter sagt, dass er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne. Der Weimarer überlegt und fragt dann, ob er also später werde eintreten dürfen. 

«Es ist möglich», sagt der Türhüter, «jetzt aber nicht.» 

Da das Tor zum Begehren offensteht wie immer und der Türhüter beiseite tritt, bückt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehn. 
Als der Türhüter das merkt, lacht er und sagt: «Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehen. Merke aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Von Saal zu Saal stehen aber Türhüter, einer mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr ertragen.»  Solche Schwierigkeiten hat der Weimarer nicht erwartet; das Begehren soll doch jedem und immer zugänglich sein, denkt er.
Auch Franz Kafka sollten wir hier ein Museum bauen. Schließlich besuchte er die Stadt 1912 für eine Woche. Im Goethehaus verliebte er sich auch noch in Margarethe, die Tochter des Hausmeisters. Wie Kleist und Heine verließ er Weimar aber schnell wieder. Nun gut, Nietzsche blieb etwas länger.


Sind die Messen gesungen?
Wieder sind wir überrascht, wie wenig die Weimarer über die Baupläne wissen. Kunststück: Wir wissen ja auch erst seit einer Woche mehr. Viele gehen immer noch davon aus, dass auf dem Minolplatz gebaut wird, wo Platz wäre und der Neubau weniger stören würde. Was die Frage aufwirft, wie man 22,6 Millionen so verbaut, dass es keiner sieht.

Niemand möchte einen Solitär im Park. Die Bürger möchten viel lieber umgeben sein mit dem, was sie bisher an ihrem Weimarhallenpark schätzen. Mit Bäumen. Der Erinnerung an ein Café, dem Lese-Café Gratis, in das ruhig ein neues einziehen könnte. Der Ruhe vor den Touristenströmen. Ausgenommen netten Einzelexemplaren.

Bereits in den 1920er Jahren gab es eine Diskussion um den Park. Als man einen Bauplatz für eine Stadthalle suchte, gewann jener Entwurf, der sie an der Ostseite des Parks platzierte. Befürch-tungen, dass die Halle nicht nur die Sichtachse von Teich, Bertuchschem Anwesen und dem Turm der Jakobskirche zerstöre, sondern auch „der intime Charakter dieses Parks schwer beeinträchtigt werden könnte“ zerstreute der Architekt, indem er vorschlug, „bei der Projektierung des Baus auf eine übertriebene Monumentalwirkung zu verzichten.“ Die 1929 hereinbrechende Weltwirtschaftskrise reduzierte den Bau dann auf ein erträgliches Maß, weil für Nebengebäude das Geld fehlte. 1932 fertig geworden stand die Weimarhalle dann für die Feierlichkeiten zu Goethes 100. Todestag zur Verfügung.  

Auch heute haben es die Weimarer, mit denen wir gesprochen haben, lieber intim. Doch trotz Krise in der Kasse setzen Stadt und Stiftung weiter auf Wirkung. In diesem Streben ließen sie sich auch nicht von Professor Kurt Lembcke beirren. Der wollte ein vorhandenes Gebäude nutzen (Westflügel des Gauforums). Sein Vorschlag scheiterte jedoch am „architektonisch belasteten Umfeld“, was jeden belastet, der das Gauforum gerne ein bisschen aufgewertet hätte. Schade. Und nun glauben einige, es  ginge eben nicht mehr um das Wie, sondern nur noch das Ob. Also verharren wir gemeinsam in ungläubiger Erwartung auf: das Riesending, den Koloss von Weimar, den Kasten, das protzige Teil, das große Ding, den schweren Klotz, den Riesenbau, den Ka- nein Beton, den Größenwahn.   


Besuch ist schön
Wir haben ein Transparent, ein Mikrofon und gegenwärtig 4 Kopfhörer, mit denen nachgehört werden kann, was unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, Nordvorstädtlerinnen und Nordvorstädtler zum neuen Bauhaus zu sagen haben. Oder was Mario Finkbeiner zum Bürgerbegehren gesagt hat. Damit unsere Batterien ihren Saft nicht umsonst verströmen, könnten wir eigentlich wieder jemanden fragen, ob er am Sonntag um 11 Uhr vorbeikommt. Ja, auch dich. Kommst du?

Aber vielleicht auch jemanden, der viel weiß. Zum Beispiel einen Stadtrat der Grünen. Die werben zur Kommunalwahl mit dem Plakat: Weimar ist grün am schönsten. Mit ihr oder ihm möchten wir uns gern solidarisieren und fragen:

1. Welche Bedeutung hatte aus Ihrer Sicht der Stadtratsbeschluss Ende Januar zum Bebauungsplan für die Verwirklichung des neuen Bauhausmuseums?

2. Welche Informationen standen Ihnen zu diesem Zeitpunkt für Ihre Entscheidung zur Verfügung?

3. Wie stehen Sie zu der Verlautbarung der Klassik-Stiftung, das Gebäude sei nachhaltig? (beleuchtete Fassade, keine Fenster, Verlegung von Straße, Einfahrt zur Tiefgarage und Kanalisation, Fällen der Bäume am Bauplatz) 



  

5.04.2014

Unsere Bürgerinitiative









4.29.2014

Ein paar Fakten wären nicht schlecht. Deshalb gehe ich in unser provisorisches und unerträglich unattraktives Bauhausmuseum auf dem Theaterplatz. Dort schaue ich mir das 3-D-Modell des Siegerentwurfs an. Es steht im Kinosaal des Museums hinter einem schweren schwarzen Vorhang und ist dankenswerterweise zugänglich, ohne dass man  Eintritt zahlen müsste. Die Präsentation von Bauplänen an der Wand neben dem Modell jongliert mit den bekannten Formulierungen der Webseite der Klassik-Stiftung. 



Als ich meine vermutlich widerrechtlich gemachten Aufnahmen mit den Gegebenheiten vor Ort vergleiche, erinnere ich mich wieder an die ältere Dame: Man müsste halt mal Pläne anbieten, die der Normalsterbliche versteht! Dass der Neubau nicht 265 Meter hoch werden kann, ist selbst mir klar. Aber wie hoch er wird und ob meine Bank rückgebaut und die Bäume zu Bänken werden, bleibt offen.

Ich beschließe beim Bauherrn anzurufen. Als ich mir auf der Webseite der Klassik-Stiftung nach einem Ansprechpartner suche, fällt mir auf, dass es neue Seiten für den interessierten Bürger gibt. Unter www.buergerinfo-bauhaus.de ergießt die virtuelle Welt genauso viele Informationen in die Wirklichkeit, wie ich brauche, um sie zu verstehen.

Meine Bank und die Bäume kommen weg. 

Ich denke nach. Am 19. März hatte die Stadt den Antrag auf ein Bürgerbegehren abgelehnt. Jetzt waren wieder vier Wochen verstrichen und damit war auch die Zeit für eine Klage gegen die Ablehnung abgelaufen. Selbst wenn die Initiatoren des Begehrens, Mario Finkbeiner, Kurt Lembcke und Peter Schenk, jetzt noch quengeln wollten, müssten sie für einen neuen Antrag doch ganze zwei Jahre warten. Sagt die Kommunal-ordnung §17. So „fristgerecht“ wie die Stadtverwaltung den Herren das Urteil verkündete, so zuverlässig stellte sie alle Informationen ins Netz, nachdem keine Klage folgte und sich daraufhin keiner aufregte.

Das ist eine Verschwörungstheorie. Nein, Weimar.

7. Warum müssen Bäume gefällt werden? Und welche?

Der Standort an der Hangkante bedingt das Fällen der dort stehenden Bäume sowie der Bäume, die direkt im Baufeld für das Gebäude stehen. Es handelt sich in der Mehrheit um einen recht jungen Bestand schnell gewachsener Bäume, die überwiegend keinem besonderen Schutz unterliegen. Es wird für diese Bäume Ersatzpflanzungen an anderer Stelle geben. (buerger-info)

Die Jungen in dieser Stadt haben eben Pech gehabt. Nicht nur dass sie bereits ab 2014 über eine Webkamera vom Baugeschehen informiert werden (geplanter Baubeginn bisher: Ende 2015), sie dürfen sich schon heute auf die „Touristenströme“ freuen, die Weimar in die Akropolis aller Denkfabriken verwandeln und zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen werden. Beispielsweise im Museumscafé oder als Aufsichtskraft mit schickem Kostüm.

Am Sonntag möchte ich mich um 11 Uhr von meiner Bank verabschieden. Zwischen mir und meiner Therapeutin werden Herr Lembcke und vielleicht auch Herr Finkbeiner Platz nehmen. Wir könnten das Alter der Bäume hinter uns bestimmen und uns ein bisschen empören. Hoffentlich ist schönes Wetter.  


4.27.2014

Das Museum im Park

..




Erinnerungen von Weimarhallenpark 


 ..



4.26.2014


Am Samstag bin ich mit meiner kolumbianischen Therapeutin und meiner Frau im Park. Wir machen es uns auf der Bank bequem, von der ich befürchte, dass sie einem Kaffeehausstühlchen weichen muss. Wie ein breites Ausrufezeichen steht sie da: „Setzt euch drauf! Ihr habt Zeit! Diesen Augenblick bin ich nur für euch da!“ Der Mai im Anflug hat die Betonmauer der Zufahrt zur Tiefgarage bereits verschwinden lassen.

Als ich den ersten anspreche, fühle ich mich wie jemand, der etwas verkaufen will. Beim zweiten, einer älteren Dame, fallen die Fragen schon routinierter. Frau Z kommt aus einer Künstlerfamilie und schwärmt für Klee, Itten und Kandinsky. Ihr Vater habe sich intensiv mit ihnen auseinandergesetzt und deren Lehrstil besonders geschätzt. Weimar braucht dieses Museum. Aber …



Ich glaube auch nicht, dass man so einen Riesenbau dahin setzen muss. Ich meine, man gewinnt die Leute nicht durch monumentale Gebäude. Mir wurde dann gesagt, von den Büroangestellten: Ja, attraktiv soll’s sein. Dann habe ich natürlich wieder gewusst, was im Gange ist. Mein Gott, was für ein Quatsch!

Ich war 10 Jahre in Berlin. Das Sich-Einfügen in das, was ist, was wir haben, das Sich-Einfügen, das fehlt irgendwie. Das haben wir verlernt. 

Man kann nicht einfach die Bäume alle hier fällen.

Ein Mitfünfziger, der seinen Hund ausführt gesellt sich dazu.

Nach der Zeichnung soll hier alles wegkommen. Ich hab das mal in der Zeitung gelesen. Ja, die wollen bis hier reinbauen. Aber ich finde das nicht gut. Ich weiß nicht, warum die das so machen müssen.

Ich sag nur, wir sind eine Kulturstadt und wir machen sie Kaputt. Es muss nicht so viel anderes zerstört werden. Aber jeder will sich sein Denkmal setzten.

Es wird gebaut und nachher zieht keiner ein.

Eine junge Mutter  kann uns nicht weiterhelfen.

Bauhaus-Museum? Ich glaub, da sind die noch gar nicht groß weiter. Also, die ganze Sache steht wohl noch nicht so richtig. Das ist so mein Stand. 

Also für uns ist der Park total wichtig. Wenn wir aus der Stadt kommen – wir wohnen jetzt hier am anderen Ende des Parks – und für uns ist das so ein Moment um runterzukommen, auch für meinen Sohn, das ist nochmal ein Moment um abzuschalten. Also ich genieße den Park und wir laufen bei jedem Wetter hier durch.

Wie die ältere Dame.

Heute ist das richtig ruhig hier, aber am Sonntag ist es wirklich freudig hier, das sitzen die Kinder, da wird Ball gespielt. Das ist wirklich ein schöner lebendiger Park hier.

Ein pensionierter Sportlehrer, der sich noch an Siegerehrungen in der alten Weimarhalle erinnern kann, fragt nach.

Hier soll das neue Bauhausmuseum entstehen.
Wo?
Hier.
Was? Wie heißt das?
Das neue Bauhausmuseum.
Muss das sein? 

Im Unterschied zu den anderen  kommt er aus Jena. Die Bebauung des Eichplatzes dort scheiterte an der Arroganz der Planer. In ihren Plänen war kein Platz für günstigen Wohnraum, obwohl die Mieten in der Stadt explodieren. Sagt er mit einem stolzen Lächeln.

Ein Pärchen aus Neudietendorf findet es nicht so dramatisch, wenn Bäume gefällt werden sollten. Schließlich wachsen die nach. 

Die Weimarer lieben ihren Park und wissen etwas zum Neubau. Aber nichts Genaues. Am Ende stellen wir fest, dass die anderen auch nicht mehr wissen und das ist komisch, sagt die ältere Dame. Aber sie gibt auch zu bedenken, dass ich eigentlich erst wissen müsste, ob meine Bank und die Bäume wirklich weg müssten, denn sonst hieße es, ich würde über Dinge reden, die gar nicht passieren.

Ein Problem des Empörten ist es, herauszufinden, ob er sich zu Recht empört. Denn dies tut er nur, wenn alle Informationen zur Sache seine Empörung befeuern. Doch was weiß er?

Der Empörte muss sich deshalb vorerst auf sein Gefühl verlassen. Tief im Stammhirn sind Gesichter, Stimmen und Geschichten gespeichert, zu denen er Frau oder Herrn W in Beziehung setzt. Das Ergebnis dieses Glaubwürdigkeitstests liegt meistens bei gefühlten 50 Prozent. 


4.20.2014

Was bisher geschah




Das Bauhaus-Museum am Theaterplatz soll in einen repräsentativen Neubau umziehen. Dazu wurde ein Architekturwettbewerb veranstaltet, an dem sich über 500 Architekten beteiligten. Im Sommer 2012 konnte sich Heike Hanada mit ihrem Entwurf durchsetzen. Dieser sieht vor, am Rand des Weimarhallenparks einen geometrisch klaren Körper mit einer von Glas geprägten Fassade zu errichten. Der erste Spatenstich für den Neubau soll laut Stiftung Weimarer Klassik Ende 2015 erfolgen.

Nachdem es vor und nach der Entscheidung für den Entwurf zu Kontroversen um den künftigen Standort gekommen war, beantragten drei Weimarer im Februar 2014 die Durchführung eines Bürgerbegehrens mit folgendem Wortlaut:

„Sind Sie dafür, den Neubau des Bauhausmuseums so zu verlegen, dass durch die Erhaltung der heutigen unteren Bertuchstraße bis zur Karl-Liebknecht-Straße als Hauptverkehrsstraße Millionen an Steuergeldern und städtischen Haushaltsmitteln eingespart werden und der Weimarhallenpark durch den Neubau nicht bedrängt wird?“

Vier Wochen später erklärte Oberbürgermeister Stefan Wolf das Bürgerbegehren auf einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik, Hellmut Seemann, für nicht zulässig. Die Begründung dürfte die Initiatoren einigermaßen überrascht haben: Sie hatten sich mit ihrem Begehren an die Falschen gewendet.  

Offen blieb die Frage, wer über die Verwendung der Haushaltsmittel entschied bzw. potentieller Einsparungen entschied, wenn nicht der Stadtrat.   


Wie ich darauf reagierte 
Ich war zornig. Wahrscheinlich deshalb, weil ich nur alle vier oder fünf Jahre abstimmen darf und man mich in dieser „wichtigen Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises“ (Thüringer  Kommunalordnung §17) nicht abstimmen lassen wollte, obwohl ich, ja ich, seit mehr als 40 Jahren meine Schritte durch den Weimarhallenpark lenkte und mir wegen seiner ominösen Bedrängung Sorgen machte. Etwas, das mir vertraut war, würde sich verändern. Zum Positiven?
 
Der Park ist wie eine Insel in der Hektik der Stadt. Begrenzt von alten Bäumen und Büschen. Mit dem Teich in seinem Zentrum, zugegebenermaßen abgeschnitten vom Haus des prominentesten Geschäftsmanns der Goethezeit, Friedrich J. Bertuch, dem die Oase gehörte und der sich in der südwestlichen Ecke begraben ließ. Auf der Nordseite stehen Bänke, auf die den ganzen Tag die Sonne scheint. Wenn man Glück hat, findet man ein freies Plätzchen. 

Als Kind wollte ich immer mit einem der Ruderboote fahren. Man konnte sie in den 70er Jahren noch ausleihen. Eines Tages gab mein Vater nach, setzte meinen Bruder und mich in einen Kahn und wir schaukelten langsam zur Mitte. Doch ohne festen Boden unter den Füßen bekamen wir plötzlich panische Angst. Schrien, weinten. Und mein Vater lachte über das ganze Gesicht. So wurde aus größtem Verlangen das größte Unbehagen. So war das.



Was jetzt passiert


Ich könnte es mit Goethe halten und mich selig vor der Welt verschließen, ohne Hass natürlich. Oder ich empöre mich halt ein bisschen und entlade meinen Zorn kontrolliert mit der Hilfe von Yomayra Puentes-Rivera, einer Künstlerin vom anderen Ende der Welt. Wir werden beobachten, was passiert.  Mit dem Park, den Menschen, die ihn jeden Tag aufsuchen oder nur durchqueren. Mit uns. Mit dem Park.

Wir wollen herausfinden, wie es denen geht, die auf den Podiumsdiskussionen zum neuen Museum nicht zu Wort kamen, die nicht auf der Seite der Entscheidungs- sondern auf der Seite der Bedenkenträger stehen und in Kürze die Straßenseite wechseln müssen. Welche Erinnerungen verbinden die Weimarer mit diesem Park? Was wissen sie über den Neubau und wie stehen sie zu ihm? Auf die letzten beiden Fragen erwarten wir folgende Antworten:

Nicht viel. Es ist mir egal, aber…

Wir sind neugierig.


Hans-Jörg Röhrich

4.19.2014



Was ist Bauhaus oder Hausbau?

Seit Ende April 2014 realisiere ich im Weimarhallenpark ein Langzeitprojekt zum geplanten Bau des neuen Bauhausmuseums. Technische Unterstützung erhalte ich dabei von der Yomayra Puentes-Rivera (BHU Weimar / Doktorandin an der Fakultät Architektur). Die Künstlerin arbeitet und forscht zu Klanginstallationen.

Seit 2008 ist der Neubau Bestandteil des Entwicklungskonzepts „Kosmos Weimar“ der Klassik Stiftung. Sie ist der Bauherr des neuen Museums. 2010 einigten sich Stiftung und Stadtverwaltung auf einen Bauplatz. 2012 setzte sich in einem Architekturwettbewerb der Entwurf durch, der das Museum mit seiner Südseite im geschützten Weimarhallenpark positioniert. Nachdem Professoren der Hochschule für Architektur und Bauwesen, der Vorgängerin der Bauhaus-Universität Weimar, die Öffentlichkeit informiert und Alternativen zu dem geplanten städtebaulichen Eingriff aufgezeigt hatten, stimmte der Weimarer Stadtrat im Januar 2014 der Übereignung des Baugrundstücks an die Klassik Stiftung und damit dem Neubau mit nur einer Gegenstimme zu. Der Antrag, zu Standort und Kosten ein Bürgerbegehren durchzuführen, wurde Ende März von der Stadtverwaltung abgelehnt. Erst seit Ende April informiert die Klassik Stiftung über den Neubau auf ihrer Webseite ausführlich. Erstmals sind nun auch die sensibleren Informationen verfügbar.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, nicht nur die anstehenden Veränderungen zu dokumentieren, sondern auch Befindlichkeiten von Bürgern auszuloten, meine eigenen eingeschlossen. Außerdem möchten ich die Arbeit an einem neuen Antrag auf ein Bürgerbegehren unterstützen. Der Erfolg eines solchen Begehrens hängt davon ab, ob die Weimarer motiviert genug sind, ihre Interessen gegenüber Stadt und Stiftung durchzusetzen. Die Mehrheit derer, mit denen ich gesproche haben, ist für ein Bauhausmuseum, aber gegen das geplante.

Auslöser für das Projekt war die Verärgerung über die Ablehnung des Antrags auf ein Bürgerbegehren Ende März 2014.

Die Initiatoren des Begehrens (M. Finkbeiner, K. Lembcke, P. Schenk) wollten darüber abstimmen lassen, ob der Neubau nicht besser auf dem Gelände errichtet werden sollte, das viele Weimarer bis heute für den künftigen Bauplatz halten: der Parkplatz westlich des Gauforums. 3577 Stimmen hätten bei Zulassung des Antrags gesammelt werden müssen. Nachdem die Klagefrist gegen die Ablehnung des Begehrens verstrichen war, war auf der Webseite der Stiftung nachzulesen: Der Neubau schiebt sich mit einer Höhe von 30 Metern in den Weimarhallenpark. Dafür müssen alle Bäume in der Nordostecke des Parks gefällt, eine Straße, eine Tiefgaragenzufahrt und  Versorgungsleitungen verlegt werden.

Neben den Kosten von gegenwärtig 9,5 Millionen Euro für die Erschließung und das Umfeld macht auch das Konzept hinter diesem Projekt wenig Lust auf die Baustelle. Das 2008 andiskutierte, lebendige Haus mit Kindergarten und Werkstätten wird morgen wenig mehr sein als ein postmoderner Guckkasten ohne praktischen Nutzen für die Weimarer. Für dieses Konzept hätte man auch ein verfügbares Gebäude aufwerten können wie bspw. einen Flügel des Gauforums, so der Vorschlag von K. Lembcke.

An kreativen Ideen wie z.B. einem dezentralen Bauhausmuseum (O.Weber) hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Allein, sie verhallten ungehört oder kamen als Echo in Form von Denunziationen zurück. Das eigentliche Problem ist deshalb die Diskrepanz zwischen dem Recht auf demokratische Mitbestimmung und der Interpretation dieses Rechts seitens Stadtrat, Stadtverwaltung und Stiftung. Viel ist von Bürgerhaushalt und direkter Demokratie die Rede. Doch wenn es konkret wird, verweisen Entscheidungsträger auf ihre parlamentarische Legitimation, die nur alle 4 oder 5 Jahre zur Disposition steht.  

Seit Ende April 2014 interviewen Y. Puentes-Rivera, J. Kemper und ich im Weimarhallenpark jeden Sonntag  von 11 bis 14 Uhr alle, die uns erzählen wollen, was sie vom neuen Bauhausmuseum halten. Dabei habe ich festgestellt, dass ich mit meinem Unmut nicht alleine dastehen. Außerdem lade ich jede Woche Gäste ein, von denen ich mir aufgrund ihrer beruflichen und öffentlichen Funktion Informationen erhoffen. Natürlich bleibt es oft bei „angefragt“. Auf dem Blog mache ich meine Erfahrungen in Wort und Ton öffentlich.

Ich bin mir sicher, dass die Diskussionen um das Museum erneut aufflammen werden, wenn die Weimarer statt auf die Bäume in eine schwarze Baugrube starren. Die Zeit bis dahin sollten Bürgerbewegte für Gespräche nutzen.

Sonntags von 11 bis 2 im Weimarhallenpark.

Hans-Jörg Röhrich
 
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