4.29.2014

Ein paar Fakten wären nicht schlecht. Deshalb gehe ich in unser provisorisches und unerträglich unattraktives Bauhausmuseum auf dem Theaterplatz. Dort schaue ich mir das 3-D-Modell des Siegerentwurfs an. Es steht im Kinosaal des Museums hinter einem schweren schwarzen Vorhang und ist dankenswerterweise zugänglich, ohne dass man  Eintritt zahlen müsste. Die Präsentation von Bauplänen an der Wand neben dem Modell jongliert mit den bekannten Formulierungen der Webseite der Klassik-Stiftung. 



Als ich meine vermutlich widerrechtlich gemachten Aufnahmen mit den Gegebenheiten vor Ort vergleiche, erinnere ich mich wieder an die ältere Dame: Man müsste halt mal Pläne anbieten, die der Normalsterbliche versteht! Dass der Neubau nicht 265 Meter hoch werden kann, ist selbst mir klar. Aber wie hoch er wird und ob meine Bank rückgebaut und die Bäume zu Bänken werden, bleibt offen.

Ich beschließe beim Bauherrn anzurufen. Als ich mir auf der Webseite der Klassik-Stiftung nach einem Ansprechpartner suche, fällt mir auf, dass es neue Seiten für den interessierten Bürger gibt. Unter www.buergerinfo-bauhaus.de ergießt die virtuelle Welt genauso viele Informationen in die Wirklichkeit, wie ich brauche, um sie zu verstehen.

Meine Bank und die Bäume kommen weg. 

Ich denke nach. Am 19. März hatte die Stadt den Antrag auf ein Bürgerbegehren abgelehnt. Jetzt waren wieder vier Wochen verstrichen und damit war auch die Zeit für eine Klage gegen die Ablehnung abgelaufen. Selbst wenn die Initiatoren des Begehrens, Mario Finkbeiner, Kurt Lembcke und Peter Schenk, jetzt noch quengeln wollten, müssten sie für einen neuen Antrag doch ganze zwei Jahre warten. Sagt die Kommunal-ordnung §17. So „fristgerecht“ wie die Stadtverwaltung den Herren das Urteil verkündete, so zuverlässig stellte sie alle Informationen ins Netz, nachdem keine Klage folgte und sich daraufhin keiner aufregte.

Das ist eine Verschwörungstheorie. Nein, Weimar.

7. Warum müssen Bäume gefällt werden? Und welche?

Der Standort an der Hangkante bedingt das Fällen der dort stehenden Bäume sowie der Bäume, die direkt im Baufeld für das Gebäude stehen. Es handelt sich in der Mehrheit um einen recht jungen Bestand schnell gewachsener Bäume, die überwiegend keinem besonderen Schutz unterliegen. Es wird für diese Bäume Ersatzpflanzungen an anderer Stelle geben. (buerger-info)

Die Jungen in dieser Stadt haben eben Pech gehabt. Nicht nur dass sie bereits ab 2014 über eine Webkamera vom Baugeschehen informiert werden (geplanter Baubeginn bisher: Ende 2015), sie dürfen sich schon heute auf die „Touristenströme“ freuen, die Weimar in die Akropolis aller Denkfabriken verwandeln und zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen werden. Beispielsweise im Museumscafé oder als Aufsichtskraft mit schickem Kostüm.

Am Sonntag möchte ich mich um 11 Uhr von meiner Bank verabschieden. Zwischen mir und meiner Therapeutin werden Herr Lembcke und vielleicht auch Herr Finkbeiner Platz nehmen. Wir könnten das Alter der Bäume hinter uns bestimmen und uns ein bisschen empören. Hoffentlich ist schönes Wetter.  


4.27.2014

Das Museum im Park

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Erinnerungen von Weimarhallenpark 


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4.26.2014


Am Samstag bin ich mit meiner kolumbianischen Therapeutin und meiner Frau im Park. Wir machen es uns auf der Bank bequem, von der ich befürchte, dass sie einem Kaffeehausstühlchen weichen muss. Wie ein breites Ausrufezeichen steht sie da: „Setzt euch drauf! Ihr habt Zeit! Diesen Augenblick bin ich nur für euch da!“ Der Mai im Anflug hat die Betonmauer der Zufahrt zur Tiefgarage bereits verschwinden lassen.

Als ich den ersten anspreche, fühle ich mich wie jemand, der etwas verkaufen will. Beim zweiten, einer älteren Dame, fallen die Fragen schon routinierter. Frau Z kommt aus einer Künstlerfamilie und schwärmt für Klee, Itten und Kandinsky. Ihr Vater habe sich intensiv mit ihnen auseinandergesetzt und deren Lehrstil besonders geschätzt. Weimar braucht dieses Museum. Aber …



Ich glaube auch nicht, dass man so einen Riesenbau dahin setzen muss. Ich meine, man gewinnt die Leute nicht durch monumentale Gebäude. Mir wurde dann gesagt, von den Büroangestellten: Ja, attraktiv soll’s sein. Dann habe ich natürlich wieder gewusst, was im Gange ist. Mein Gott, was für ein Quatsch!

Ich war 10 Jahre in Berlin. Das Sich-Einfügen in das, was ist, was wir haben, das Sich-Einfügen, das fehlt irgendwie. Das haben wir verlernt. 

Man kann nicht einfach die Bäume alle hier fällen.

Ein Mitfünfziger, der seinen Hund ausführt gesellt sich dazu.

Nach der Zeichnung soll hier alles wegkommen. Ich hab das mal in der Zeitung gelesen. Ja, die wollen bis hier reinbauen. Aber ich finde das nicht gut. Ich weiß nicht, warum die das so machen müssen.

Ich sag nur, wir sind eine Kulturstadt und wir machen sie Kaputt. Es muss nicht so viel anderes zerstört werden. Aber jeder will sich sein Denkmal setzten.

Es wird gebaut und nachher zieht keiner ein.

Eine junge Mutter  kann uns nicht weiterhelfen.

Bauhaus-Museum? Ich glaub, da sind die noch gar nicht groß weiter. Also, die ganze Sache steht wohl noch nicht so richtig. Das ist so mein Stand. 

Also für uns ist der Park total wichtig. Wenn wir aus der Stadt kommen – wir wohnen jetzt hier am anderen Ende des Parks – und für uns ist das so ein Moment um runterzukommen, auch für meinen Sohn, das ist nochmal ein Moment um abzuschalten. Also ich genieße den Park und wir laufen bei jedem Wetter hier durch.

Wie die ältere Dame.

Heute ist das richtig ruhig hier, aber am Sonntag ist es wirklich freudig hier, das sitzen die Kinder, da wird Ball gespielt. Das ist wirklich ein schöner lebendiger Park hier.

Ein pensionierter Sportlehrer, der sich noch an Siegerehrungen in der alten Weimarhalle erinnern kann, fragt nach.

Hier soll das neue Bauhausmuseum entstehen.
Wo?
Hier.
Was? Wie heißt das?
Das neue Bauhausmuseum.
Muss das sein? 

Im Unterschied zu den anderen  kommt er aus Jena. Die Bebauung des Eichplatzes dort scheiterte an der Arroganz der Planer. In ihren Plänen war kein Platz für günstigen Wohnraum, obwohl die Mieten in der Stadt explodieren. Sagt er mit einem stolzen Lächeln.

Ein Pärchen aus Neudietendorf findet es nicht so dramatisch, wenn Bäume gefällt werden sollten. Schließlich wachsen die nach. 

Die Weimarer lieben ihren Park und wissen etwas zum Neubau. Aber nichts Genaues. Am Ende stellen wir fest, dass die anderen auch nicht mehr wissen und das ist komisch, sagt die ältere Dame. Aber sie gibt auch zu bedenken, dass ich eigentlich erst wissen müsste, ob meine Bank und die Bäume wirklich weg müssten, denn sonst hieße es, ich würde über Dinge reden, die gar nicht passieren.

Ein Problem des Empörten ist es, herauszufinden, ob er sich zu Recht empört. Denn dies tut er nur, wenn alle Informationen zur Sache seine Empörung befeuern. Doch was weiß er?

Der Empörte muss sich deshalb vorerst auf sein Gefühl verlassen. Tief im Stammhirn sind Gesichter, Stimmen und Geschichten gespeichert, zu denen er Frau oder Herrn W in Beziehung setzt. Das Ergebnis dieses Glaubwürdigkeitstests liegt meistens bei gefühlten 50 Prozent. 


4.20.2014

Was bisher geschah




Das Bauhaus-Museum am Theaterplatz soll in einen repräsentativen Neubau umziehen. Dazu wurde ein Architekturwettbewerb veranstaltet, an dem sich über 500 Architekten beteiligten. Im Sommer 2012 konnte sich Heike Hanada mit ihrem Entwurf durchsetzen. Dieser sieht vor, am Rand des Weimarhallenparks einen geometrisch klaren Körper mit einer von Glas geprägten Fassade zu errichten. Der erste Spatenstich für den Neubau soll laut Stiftung Weimarer Klassik Ende 2015 erfolgen.

Nachdem es vor und nach der Entscheidung für den Entwurf zu Kontroversen um den künftigen Standort gekommen war, beantragten drei Weimarer im Februar 2014 die Durchführung eines Bürgerbegehrens mit folgendem Wortlaut:

„Sind Sie dafür, den Neubau des Bauhausmuseums so zu verlegen, dass durch die Erhaltung der heutigen unteren Bertuchstraße bis zur Karl-Liebknecht-Straße als Hauptverkehrsstraße Millionen an Steuergeldern und städtischen Haushaltsmitteln eingespart werden und der Weimarhallenpark durch den Neubau nicht bedrängt wird?“

Vier Wochen später erklärte Oberbürgermeister Stefan Wolf das Bürgerbegehren auf einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik, Hellmut Seemann, für nicht zulässig. Die Begründung dürfte die Initiatoren einigermaßen überrascht haben: Sie hatten sich mit ihrem Begehren an die Falschen gewendet.  

Offen blieb die Frage, wer über die Verwendung der Haushaltsmittel entschied bzw. potentieller Einsparungen entschied, wenn nicht der Stadtrat.   


Wie ich darauf reagierte 
Ich war zornig. Wahrscheinlich deshalb, weil ich nur alle vier oder fünf Jahre abstimmen darf und man mich in dieser „wichtigen Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises“ (Thüringer  Kommunalordnung §17) nicht abstimmen lassen wollte, obwohl ich, ja ich, seit mehr als 40 Jahren meine Schritte durch den Weimarhallenpark lenkte und mir wegen seiner ominösen Bedrängung Sorgen machte. Etwas, das mir vertraut war, würde sich verändern. Zum Positiven?
 
Der Park ist wie eine Insel in der Hektik der Stadt. Begrenzt von alten Bäumen und Büschen. Mit dem Teich in seinem Zentrum, zugegebenermaßen abgeschnitten vom Haus des prominentesten Geschäftsmanns der Goethezeit, Friedrich J. Bertuch, dem die Oase gehörte und der sich in der südwestlichen Ecke begraben ließ. Auf der Nordseite stehen Bänke, auf die den ganzen Tag die Sonne scheint. Wenn man Glück hat, findet man ein freies Plätzchen. 

Als Kind wollte ich immer mit einem der Ruderboote fahren. Man konnte sie in den 70er Jahren noch ausleihen. Eines Tages gab mein Vater nach, setzte meinen Bruder und mich in einen Kahn und wir schaukelten langsam zur Mitte. Doch ohne festen Boden unter den Füßen bekamen wir plötzlich panische Angst. Schrien, weinten. Und mein Vater lachte über das ganze Gesicht. So wurde aus größtem Verlangen das größte Unbehagen. So war das.



Was jetzt passiert


Ich könnte es mit Goethe halten und mich selig vor der Welt verschließen, ohne Hass natürlich. Oder ich empöre mich halt ein bisschen und entlade meinen Zorn kontrolliert mit der Hilfe von Yomayra Puentes-Rivera, einer Künstlerin vom anderen Ende der Welt. Wir werden beobachten, was passiert.  Mit dem Park, den Menschen, die ihn jeden Tag aufsuchen oder nur durchqueren. Mit uns. Mit dem Park.

Wir wollen herausfinden, wie es denen geht, die auf den Podiumsdiskussionen zum neuen Museum nicht zu Wort kamen, die nicht auf der Seite der Entscheidungs- sondern auf der Seite der Bedenkenträger stehen und in Kürze die Straßenseite wechseln müssen. Welche Erinnerungen verbinden die Weimarer mit diesem Park? Was wissen sie über den Neubau und wie stehen sie zu ihm? Auf die letzten beiden Fragen erwarten wir folgende Antworten:

Nicht viel. Es ist mir egal, aber…

Wir sind neugierig.


Hans-Jörg Röhrich

4.19.2014



Was ist Bauhaus oder Hausbau?

Seit Ende April 2014 realisiere ich im Weimarhallenpark ein Langzeitprojekt zum geplanten Bau des neuen Bauhausmuseums. Technische Unterstützung erhalte ich dabei von der Yomayra Puentes-Rivera (BHU Weimar / Doktorandin an der Fakultät Architektur). Die Künstlerin arbeitet und forscht zu Klanginstallationen.

Seit 2008 ist der Neubau Bestandteil des Entwicklungskonzepts „Kosmos Weimar“ der Klassik Stiftung. Sie ist der Bauherr des neuen Museums. 2010 einigten sich Stiftung und Stadtverwaltung auf einen Bauplatz. 2012 setzte sich in einem Architekturwettbewerb der Entwurf durch, der das Museum mit seiner Südseite im geschützten Weimarhallenpark positioniert. Nachdem Professoren der Hochschule für Architektur und Bauwesen, der Vorgängerin der Bauhaus-Universität Weimar, die Öffentlichkeit informiert und Alternativen zu dem geplanten städtebaulichen Eingriff aufgezeigt hatten, stimmte der Weimarer Stadtrat im Januar 2014 der Übereignung des Baugrundstücks an die Klassik Stiftung und damit dem Neubau mit nur einer Gegenstimme zu. Der Antrag, zu Standort und Kosten ein Bürgerbegehren durchzuführen, wurde Ende März von der Stadtverwaltung abgelehnt. Erst seit Ende April informiert die Klassik Stiftung über den Neubau auf ihrer Webseite ausführlich. Erstmals sind nun auch die sensibleren Informationen verfügbar.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, nicht nur die anstehenden Veränderungen zu dokumentieren, sondern auch Befindlichkeiten von Bürgern auszuloten, meine eigenen eingeschlossen. Außerdem möchten ich die Arbeit an einem neuen Antrag auf ein Bürgerbegehren unterstützen. Der Erfolg eines solchen Begehrens hängt davon ab, ob die Weimarer motiviert genug sind, ihre Interessen gegenüber Stadt und Stiftung durchzusetzen. Die Mehrheit derer, mit denen ich gesproche haben, ist für ein Bauhausmuseum, aber gegen das geplante.

Auslöser für das Projekt war die Verärgerung über die Ablehnung des Antrags auf ein Bürgerbegehren Ende März 2014.

Die Initiatoren des Begehrens (M. Finkbeiner, K. Lembcke, P. Schenk) wollten darüber abstimmen lassen, ob der Neubau nicht besser auf dem Gelände errichtet werden sollte, das viele Weimarer bis heute für den künftigen Bauplatz halten: der Parkplatz westlich des Gauforums. 3577 Stimmen hätten bei Zulassung des Antrags gesammelt werden müssen. Nachdem die Klagefrist gegen die Ablehnung des Begehrens verstrichen war, war auf der Webseite der Stiftung nachzulesen: Der Neubau schiebt sich mit einer Höhe von 30 Metern in den Weimarhallenpark. Dafür müssen alle Bäume in der Nordostecke des Parks gefällt, eine Straße, eine Tiefgaragenzufahrt und  Versorgungsleitungen verlegt werden.

Neben den Kosten von gegenwärtig 9,5 Millionen Euro für die Erschließung und das Umfeld macht auch das Konzept hinter diesem Projekt wenig Lust auf die Baustelle. Das 2008 andiskutierte, lebendige Haus mit Kindergarten und Werkstätten wird morgen wenig mehr sein als ein postmoderner Guckkasten ohne praktischen Nutzen für die Weimarer. Für dieses Konzept hätte man auch ein verfügbares Gebäude aufwerten können wie bspw. einen Flügel des Gauforums, so der Vorschlag von K. Lembcke.

An kreativen Ideen wie z.B. einem dezentralen Bauhausmuseum (O.Weber) hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Allein, sie verhallten ungehört oder kamen als Echo in Form von Denunziationen zurück. Das eigentliche Problem ist deshalb die Diskrepanz zwischen dem Recht auf demokratische Mitbestimmung und der Interpretation dieses Rechts seitens Stadtrat, Stadtverwaltung und Stiftung. Viel ist von Bürgerhaushalt und direkter Demokratie die Rede. Doch wenn es konkret wird, verweisen Entscheidungsträger auf ihre parlamentarische Legitimation, die nur alle 4 oder 5 Jahre zur Disposition steht.  

Seit Ende April 2014 interviewen Y. Puentes-Rivera, J. Kemper und ich im Weimarhallenpark jeden Sonntag  von 11 bis 14 Uhr alle, die uns erzählen wollen, was sie vom neuen Bauhausmuseum halten. Dabei habe ich festgestellt, dass ich mit meinem Unmut nicht alleine dastehen. Außerdem lade ich jede Woche Gäste ein, von denen ich mir aufgrund ihrer beruflichen und öffentlichen Funktion Informationen erhoffen. Natürlich bleibt es oft bei „angefragt“. Auf dem Blog mache ich meine Erfahrungen in Wort und Ton öffentlich.

Ich bin mir sicher, dass die Diskussionen um das Museum erneut aufflammen werden, wenn die Weimarer statt auf die Bäume in eine schwarze Baugrube starren. Die Zeit bis dahin sollten Bürgerbewegte für Gespräche nutzen.

Sonntags von 11 bis 2 im Weimarhallenpark.

Hans-Jörg Röhrich
 
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