4.26.2014

Am Samstag

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Am Samstag bin ich mit meiner kolumbianischen Therapeutin und meiner Frau im Park. Wir machen es uns auf der Bank bequem, von der ich befürchte, dass sie einem Kaffeehausstühlchen weichen muss. Wie ein breites Ausrufezeichen steht sie da: „Setzt euch drauf! Ihr habt Zeit! Diesen Augenblick bin ich nur für euch da!“ Der Mai im Anflug hat die Betonmauer der Zufahrt zur Tiefgarage bereits verschwinden lassen.

Als ich den ersten anspreche, fühle ich mich wie jemand, der etwas verkaufen will. Beim zweiten, einer älteren Dame, fallen die Fragen schon routinierter. Frau Z kommt aus einer Künstlerfamilie und schwärmt für Klee, Itten und Kandinsky. Ihr Vater habe sich intensiv mit ihnen auseinandergesetzt und deren Lehrstil besonders geschätzt. Weimar braucht dieses Museum. Aber …



Ich glaube auch nicht, dass man so einen Riesenbau dahin setzen muss. Ich meine, man gewinnt die Leute nicht durch monumentale Gebäude. Mir wurde dann gesagt, von den Büroangestellten: Ja, attraktiv soll’s sein. Dann habe ich natürlich wieder gewusst, was im Gange ist. Mein Gott, was für ein Quatsch!

Ich war 10 Jahre in Berlin. Das Sich-Einfügen in das, was ist, was wir haben, das Sich-Einfügen, das fehlt irgendwie. Das haben wir verlernt. 

Man kann nicht einfach die Bäume alle hier fällen.

Ein Mitfünfziger, der seinen Hund ausführt gesellt sich dazu.

Nach der Zeichnung soll hier alles wegkommen. Ich hab das mal in der Zeitung gelesen. Ja, die wollen bis hier reinbauen. Aber ich finde das nicht gut. Ich weiß nicht, warum die das so machen müssen.

Ich sag nur, wir sind eine Kulturstadt und wir machen sie Kaputt. Es muss nicht so viel anderes zerstört werden. Aber jeder will sich sein Denkmal setzten.

Es wird gebaut und nachher zieht keiner ein.

Eine junge Mutter  kann uns nicht weiterhelfen.

Bauhaus-Museum? Ich glaub, da sind die noch gar nicht groß weiter. Also, die ganze Sache steht wohl noch nicht so richtig. Das ist so mein Stand. 

Also für uns ist der Park total wichtig. Wenn wir aus der Stadt kommen – wir wohnen jetzt hier am anderen Ende des Parks – und für uns ist das so ein Moment um runterzukommen, auch für meinen Sohn, das ist nochmal ein Moment um abzuschalten. Also ich genieße den Park und wir laufen bei jedem Wetter hier durch.

Wie die ältere Dame.

Heute ist das richtig ruhig hier, aber am Sonntag ist es wirklich freudig hier, das sitzen die Kinder, da wird Ball gespielt. Das ist wirklich ein schöner lebendiger Park hier.

Ein pensionierter Sportlehrer, der sich noch an Siegerehrungen in der alten Weimarhalle erinnern kann, fragt nach.

Hier soll das neue Bauhausmuseum entstehen.
Wo?
Hier.
Was? Wie heißt das?
Das neue Bauhausmuseum.
Muss das sein? 

Im Unterschied zu den anderen  kommt er aus Jena. Die Bebauung des Eichplatzes dort scheiterte an der Arroganz der Planer. In ihren Plänen war kein Platz für günstigen Wohnraum, obwohl die Mieten in der Stadt explodieren. Sagt er mit einem stolzen Lächeln.

Ein Pärchen aus Neudietendorf findet es nicht so dramatisch, wenn Bäume gefällt werden sollten. Schließlich wachsen die nach. 

Die Weimarer lieben ihren Park und wissen etwas zum Neubau. Aber nichts Genaues. Am Ende stellen wir fest, dass die anderen auch nicht mehr wissen und das ist komisch, sagt die ältere Dame. Aber sie gibt auch zu bedenken, dass ich eigentlich erst wissen müsste, ob meine Bank und die Bäume wirklich weg müssten, denn sonst hieße es, ich würde über Dinge reden, die gar nicht passieren.

Ein Problem des Empörten ist es, herauszufinden, ob er sich zu Recht empört. Denn dies tut er nur, wenn alle Informationen zur Sache seine Empörung befeuern. Doch was weiß er?

Der Empörte muss sich deshalb vorerst auf sein Gefühl verlassen. Tief im Stammhirn sind Gesichter, Stimmen und Geschichten gespeichert, zu denen er Frau oder Herrn W in Beziehung setzt. Das Ergebnis dieses Glaubwürdigkeitstests liegt meistens bei gefühlten 50 Prozent. 


 
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